Schuldenfalle Restschuldversicherung

 

Schuldenfalle Restschuldversicherung

Statt vor einer Überschuldung zu schützen, wenn man einen Kredit aufgrund von Tod, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit nicht mehr ordentlich bedienen kann, führt die Restschuldversicherung oder Kreditausfallversicherung meist direkt in diese. Nicht umsonst wird der beinah-verpflichtende Charakter dieses Versicherungsproduktes immer mehr als moderner Wucher aufgefasst, der selbst in zinsstabilen und zinsgünstigen Zeiten scheinbar billige Darlehen bis zur Untilgbarkeit verteuert.

Absicherung gegen den absoluten Notfall

Die Restschuldversicherung ist dabei vom Grundgedanken nichts schlechtes, da sie den Kunden eigentlich vor einer möglichen Überschuldung schützen soll, wenn dieser aufgrund des Todes eines Kreditnehmers (Variante 1), von Arbeitslosigkeit (Variante 2) oder (vorübergehender) Arbeitsunfähigkeit (sowie Tod und Arbeitslosigkeit, Variante 3) nicht mehr in der Lage sein sollte, den ursprünglich geschlossenen Kreditvertrag zu bedienen.

Schuldenfalle RestschuldversicherungDie Restschuldversicherung ist dabei vor allem zur Absicherung großer Darlehen angedacht, damit das Risiko seitens der Banken und der Kunden minimiert werden kann und z. B. die Zwangsvollstreckung von beliehenen Sicherheiten vermieden wird. Mittlerweile werden Restschuldversicherungen aber geradezu inflationär bei vielen verschiedenen Kreditprodukten angeboten und gemessen an der Art, wie diese verkauft werden, Kunden fast schon als zwingender Bestandteil eines Darlehens aufgedrängt.

Für Banken und Versicherungen höchst lukrativ

Aus Sicht der Versicherungen kann man die Policen teuer verkaufen bei einer geringen Chance, dass sie überhaupt in Anspruch genommen werden – zum einen aufgrund der eng gesteckten Bedingungen, zum anderen, weil über 90 – 97 % aller Kredite und Darlehen ordentlich bzw. vollständig getilgt werden. Nur in 3 % aller Fälle kommt es zu einem Kreditausfall und auch hier muss die Versicherung in den seltensten Fällen wirklich einspringen, weil der Tilgungsausfall nicht unter die Versicherungsbedingungen fällt (da z. B. selbstverursacht).

Aus Sicht der Banken lässt sich mit dem Verkauf einer Restschuldversicherung zusätzlich zu einem Kredit auch dann noch ein ordentlicher Profit erzielen, wenn die Zinsen im Keller sind. Denn: Für die „Vermittlung“ der Restschuldversicherung an einen Kunden kassieren die Banken Provisionen der Versicherungsgesellschaften, die teilweise mehr als 50 % der Police der Restschuldversicherung ausmachen!

Durch die oft unangemessene Höhe der Restschuldversicherungen, die in der Regel 7 – 11 % der eigentlichen Kreditsumme, aber in Grenzfällen auch über 30 % dieser betragen können, verteuert sich der Kredit in drastischer Weise, oft sogar weit über ein Zinsniveau, welches als „Wucher“ sittenwidrig ist.

Ein weiteres Manko: Da die Police der Versicherung noch zusätzlich auf die Kreditsumme aufgeschlagen wird, verteuert sich nicht nur der effektive Zins durch die Restschuld extrem, sondern auch die Kreditsumme wird erhöht. Die Folge: eine höhere Summe verlangt meist eine längere Laufzeit, um die monatlichen Raten zahlen zu können – und eine längere Laufzeit schlägt sich in einem höheren Zins (je niedriger, je kürzer die Laufzeit) nieder. Der Zins verteuert auch wieder die Restschuldversicherung, da dieser für die gesamte Laufzeit und die ursprüngliche Summe zusätzlich der Police fällig wird.

Vorsicht: Kettenkredit!

Es gibt nicht wenige Fälle von Kunden, die durch dieses Geschäftsgebaren in die Schuldenfalle geraten sind, da sie häufig den Kredit bis Laufzeitende nicht bedienen konnten, und einen neuen Kredit aufnehmen müssen (Anschlussfinanzierung), welcher natürlich wieder mit einer Restschuldversicherung verbunden ist. Am Ende hat man so einen Kettenkredit, der sich immer weiter verlängert und aus dem man kaum noch herauskommt.

Konditionen für Laien kaum erkennbar

Wenn man das liest, kann man sich nur denken: Wer so einen extrem unvorteilhaften Vertrag abschließt, ist schließlich selbst schuld! Häufig wissen viele aber nicht, was sie da eigentlich unterschreiben und sehen auch den tatsächlichen effektiven Zins nicht, Schuldenfalle Konditionenda sich mit diversen Rechentricks in einem Beratungsgespräch die tatsächlichen Kosten weit weniger dramatisch darstellen lassen – z. B. indem die Kosten für die Restschuldversicherung nicht in den effektiven Zins eingerechnet werden oder die Restschuldversicherung vom eigentlichen Kredit komplett abgetrennt behandelt wird.

Dazu kommt der leichte Druck, der oft in einem Beratungsgespräch ausgeübt: Natürlich wird kein Berater so weit gehen, einen Kunden zum Abschluss einer Versicherungen direkt zu nötigen oder ihn dazu zu zwingen, aber oft wird subtil vermittelt: keine Restschuldversicherung, kein Kredit, da ohne Restschuldversicherung den Banken das Risiko zu groß ist.

Schutz im Notfall absolut unbrauchbar

Die Restschuldversicherung fällt jedoch nicht nur durch ihre zinssteigernde Wirkung negativ auf, sondern auch dadurch, dass sie im Falle des Falles, also Tod, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit noch nicht einmal direkt oder voll einspringt. Gegen alle 3 Schicksalsschläge sichert ohnehin nur die teuerste Variante der Restschuldversicherung, oft als Rundum-sorglos Paket oder Versicherung bezeichnet, ab – und das auch nur für in der Regel bis zu 12 Monate.

In bestimmten Fällen entfällt der Schutz übrigens generell, denn wer unter 18 Jahren und über 54 Jahren als ist (bei Eintritt des Versicherungsfalles), ist vom Versicherungsschutz häufig ausgenommen. Wer seine Arbeitsstelle von sich aus kündigt (worunter auch ein Aufhebungsvertrag mit Abfindungen fällt), kommt ebenfalls nicht in den Genuss des Versicherungsschutzes gegen Arbeitslosigkeit – übrigens auch dann nicht, wenn er seine Stelle in den ersten 6 Monaten nach Vertragsbeginn verliert.

War man bei einem Verwandten beschäftigt, oder hatte man in seinem (ehemaligen) Beruf eine bestimmte Wochenarbeitszeit unterschritten oder gar einen befristetes Arbeitsverhältnis gibt es ebenfalls nichts – abschließen darf man die Versicherung trotzdem! Ein Schelm, wer böses denkt…

Die Absicherung gegen Arbeitsunfähigkeit ist fast ebenso bedeutungslos, da die Restschuldversicherung meist verlangt, dass man eine Wartefrist von teils mehreren Monaten einhalten muss. Und erst dann zahlt sie – vielleicht, denn sollte der Grund für die Berufsunfähigkeit oder Krankheit schon im Ansatz vor Aufnahme des Versicherungsverhältnisses bestanden haben, gibt es natürlich nichts.

Summa summarum kommt der Kostenaspekt ins Spiel: Eine Versicherung, die bei einem Darlehen über 10.000 Euro 1.000 Euro kostet, zahlt bei einem niedrigen monatlichen Raten nicht einmal ihren eigene Wert zurück.

Bessere Alternative

Wer wirklich Wert auf eine Absicherung der Familie im Todesfall oder Arbeitsunfähigkeit legt, damit diese dann nicht auf einem Schuldenberg sitzen bleiben, sollte lieber eine Risikolebensversicherung anstatt einer Restschuldversicherung abschließen oder eine Arbeitsunfähigkeitsversicherung. Sollte man diese existenzsichernden ohnehin schon abgeschlossen haben, kann man auf eine Restschuldversicherung getrost verzichten.

Wichtig: Sollte man „widerspenstig“ sein und eine Restschuldversicherung nicht abschließen wollen, wird diese Alternative, häufig bei endfälligen Darlehen, auch von der Bank aus angeboten. Trotzdem sollte man sich stets unabhängig von der Bank darum kümmern, da zum einen der Vergleich wegfällt und man, bedingt durch die hohen Provisionen, oft wesentlich mehr zahlt.

Kredit und Versicherung? Finger weg!

Grundsätzlich gilt: Ein Kredit und eine Versicherung sind zwei verschiedene Dinge – und so sollte man sie auch behandeln, wenn man vor bösen Überraschungen gefeit sein möchte. Schließlich kauft auch niemand an der Tankstelle ein neues Auto, auch wenn ein Zusammenhang bestehen mag.

Zudem kann jeder Kunde, wenn er sich unsicher ist und meint, das Ganze nicht gut genug selbst beurteilen zu können, den die Police vor Abschluss noch einmal von einer Verbraucherzentrale überprüfen lassen – verweigert die Bank dies, sollte man schleunigst von einer Vertragsunterzeichnung Abstand nehmen.

Vertrag abgeschlossen – was nun?

Sollte man in der unglücklichen Position sein, doch eine zu teure Restschuldversicherung abgeschlossen zu haben, so ist noch nicht aller Tage Abend, da der Versicherungsvertrag noch bis zu 14 Tage nach Unterschrift bzw. nach der Rücktrittsbelehrung widerrufen werden kann. Ist auch diese Zeit abgelaufen, bleibt nur noch den Kredit zu kündigen, die Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Schuldenfalle KreditDas ist in der Regel sehr teuer, da die Summe natürlich komplett zurückbezahlt werden muss, sowie etwas mehr, aber meist immer noch billiger, als den Kredit bis zum Vertragsende zu bedienen.

Alternativ, sollte der Kreditzins durch die Restschuldversicherung extrem verteuert werden, lohnt sich auch ein Gang vor das Gericht. Sollten die Kosten/ der effektive Zins ca. 100 % über dem vergleichbarer, marktüblicher Angebote liegen (z. B. durch eine viel zu teure Versicherung), kann der Vertrag als sittenwidrig angefochten werden. Sollte man vor Gericht Erfolg haben und das Gericht dem folgen, wird der Vertrag rückabgewickelt – auch hier muss jedoch das geliehene Geld zeitnah (heißt oft: sofort) an die Bank zurückgezahlt werden.

 

Wichtig: Die Provision, die bis zu 50 % der Police ausmachen kann, muss bei einer Kündigung der Versicherung ggfs. nicht zurückbezahlt werden. Sollte die Provision der Bank bei einer Versicherungspolice von 8.000 Euro etwa 4.000 Euro betragen, so werden häufig nur 4.000 Euro zurückerstattet. Falls der Versicherungsfall eintreten und der Anbieter der Restschuldversicherung die Zahlung mit dem Verweis auf die Versicherungsbedingungen verweigern sollte, sollte man sich nicht abwimmeln lassen und diese ggfs. auch überprüfen lassen. Wird man zu sehr benachteiligt, können diese als nichtig gewertet werden und der Versicherer muss zahlen.

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Sind wir zusammen? Oder was? Das Leben als Mingle

Sind wir zusammen? Oder was? Das Leben als Mingle

vonNicola Erdmann

 

Die Zeiten, in denen ein Kuss oder zumindest der erste Sex es besiegelten, klarmachten, dass das hier nun eine besondere und exklusive Beziehung zwischen zwei Menschen ist, sind vorbei. Leider.
Ob sie ihm als Gastgeberin bei seiner Party helfen wolle, hatte er sie gefragt. Klar wollte Marnie das. Wenn sie an seiner Seite ein Fest geben würde, könnte doch das Verhältnis zu diesem Mann endlich offiziell den Beziehungsstatus erreichen! Also kaufte Marnie sich extra ein neues Kleid, begrüßte die Gäste, half in der Küche.
Bis er, der Mann, mit dem sie am Morgen noch Sex hatte, ihr im Weinkeller diese Frage stellte: „Findest du 500 dafür okay?“ – „Was, Dollar?“ „Ja.“ „Du musst mich doch nicht bezahlen – ich bin doch deine Freundin.“ Er lacht. „Das hab ich ja überhaupt nicht gewusst.“
Für Marnie, Protagonistin der US-TV-Serie „Girls“, die sich mit den großen und kleinen Lebensproblemen vierer New Yorkerinnen zwischen Mitte und Ende zwanzig beschäftigt, bricht damit eine kleine Welt zusammen – während er überhaupt nicht versteht, was das Problem ist. „Aber wir hatten Sex!“, sagt sie, „Ja und?“, fragt er.
Etwas Halbes, nichts Ganzes

Das, was die beiden leben, ist eine Beziehungsform, die es so in jedem Bekanntenkreis gibt, die viele der Generation um die dreißig wohl selbst schon erlebt haben oder noch erleben werden. Man kann es Halb-Beziehung nennen – oder auch Mingle-Dasein. „Mingle“, so erklärt es der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann, ist eine Wortschöpfung aus „mixed“ und „Single“.
Der Begriff, der noch nicht so gebräuchlich wie „Fuckbuddy“ oder „Friends with Benefit“ ist, für Beziehungen, in denen man „nur“ miteinander schläft, definiert endlich etwas, was nicht definiert ist. Irgendwie ist man offiziell noch Single, vermischt diese Lebensweise aber mit der eines Pärchens.
So trifft man einen Menschen, den man anziehend findet, man lernt sich kennen, mag sich, küsst sich. Man trifft sich wieder, schreibt sich flirtige Nachrichten, irgendwann hat man das erste Mal Sex, man trifft sich immer wieder, in größeren, in kleineren Abständen. Manchmal geht man auch ins Kino, manchmal telefoniert man, manchmal hört man aber auch ein paar Tage nichts voneinander.
Während das so dahinplätschert, kommen irgendwann diese Fragen auf: Was ist das jetzt eigentlich? Sind wir zusammen? Warum sagt der andere nichts dazu? Stellen wir einander unseren Eltern vor? Schenken wir uns etwas zum Geburtstag? Ist es dann offiziell?

 
Beziehung in der Schwebe

Die Zeiten, in denen ein Kuss oder zumindest der erste Sex es besiegelten, klarmachten, dass das hier nun eine besondere und exklusive Beziehung zwischen zwei Menschen ist, sind vorbei. Leider. Denn heute ist es kompliziert, anstrengend, die Mingle-Beziehung fühlt sich an wie ein Drahtseilakt auf den eigenen Gefühlen.
Gibt man zu viel von sich preis, wenn man nach Klarheit verlangt? Blamiert man sich, so wie Marnie, wenn man eine Beziehung vermutet, wo der andere nur eine Affäre sieht? Aber wie kann er eine Affäre in etwas vermuten, was sich doch nach so viel mehr anfühlt: Man geht doch schließlich auch gemeinsam aus, trifft Freunde, spricht über Femen-Aktionen oder Harald Schmidt.
„Ich beobachte das tatsächlich als Phänomen: Viele Leute wissen nicht mehr, ob sie nun in einer Beziehung sind oder nicht“, sagt Diplom-Psychologin Wiebke Neberich, wissenschaftliche Beraterin bei eDarling. „Auffällig wurde es für mich, als ich für die Humboldt-Universität eine Studie durchführte und zu Beginn des Fragebogens die demografischen Angaben abfragte, Alter, Geschlecht, Beziehungsstand.“
Zahlreiche der Teilnehmer hätten hier nämlich kein Kreuzchen machen können – waren sie nun alleinstehend oder in einer Beziehung? Sie hätten es schlicht nicht gewusst, berichtet Wiebke Neberich, „ich habe dann mit den Leuten gesprochen, die mir erzählten, sie würden sich zwar mit jemandem treffen, aber was genau das sei, das könnten sie nicht sagen.“

 

Kapitalismus auf dem Partnermarkt

Es gibt verschiedene Gründe für diese neue Unverbindlichkeit. Der zentrale und wichtigste ist wohl die Angst, zu viele andere, vielleicht bessere Möglichkeiten auszuschließen, wenn man sich eindeutig zu einem Menschen bekennt. „Der Partnermarkt funktioniert zunehmend nach dem kapitalistischen Gedanken der Gesellschaft“, sagt Lisa Fischbach, Diplom-Psychologin bei Elite Partner.
„Da ist die ständige Optimierungstendenz, der Gedanke, dass es vielleicht noch einen Besseren gibt.“ Das sei insofern problematisch, weil es permanente Unruhe und Verunsicherung mit sich bringe, die auf dauerhafte Bindung und Geborgenheit kontraproduktiv wirke.
Und das doch auf zwei Seiten: Der, der glaubt, er könne jemanden finden, der wirklich alle Ansprüche erfüllt, kann mit jemandem, der nur einige der Ansprüche erfüllt, nicht bedingungslos glücklich werden, kann sich nicht entspannen, sich nicht auf eine Beziehung einlassen.
Die große Freiheit, das Gefühl, das auch das scheinbar unendliche Angebot des Online-Datings vermittelt, dass immer nur einen Klick weiter doch jemand sein könnte, wird so zum Gefängnis. Zum Gefängnis aus Angst, etwas oder jemanden zu verpassen.
Daraus wird schnell eine Angst vor zu großer Nähe – denn mit der Nähe käme doch der Zeitpunkt, an dem man sich bekennen muss. Und natürlich ist derjenige, der bereit wäre, sich zu binden, aber an genau so jemanden gerät, ebenso ein Opfer der Mingle-entalität. Eines das unverschuldet in diese Halb-Beziehungssituation gerät und darin feststeckt.


Eine Frage des Selbstbewusstseins

Es scheint doch wahrlich wie eine Falle: Verlangt, fragt, fordert man zu viel, läuft man Gefahr, den anderen zu verschrecken und zu vertreiben. Macht man das Ganze mit, leidet man unter dieser quälenden Ungewissheit, dem Gefühl hier die ganze Zeit irgendwie hingehalten zu werden. Gerade jüngere Menschen mit weniger Beziehungserfahrung würden unter diesem Phänomen leiden, berichtet Lisa Fischbach.
Es fehlt das Wissen, dass es doch mit keinem Partner auf Dauer hundertprozentig perfekt läuft. Es fehlen Mut und vielleicht auch Selbstbewusstsein, die Dinge aus- und anzusprechen, es herrschen Unsicherheiten über Dynamiken in Beziehungen. Und so landet man allzu schnell in der Mingle-Falle.
Doch nicht nur die Angst, den einen zu verpassen, wenn man sich zu dem oder der anderen mal so richtig bekennt, bremst den Bindungswillen, auch der explizite Wunsch nach Selbstverwirklichung stellt sich, gerade bei der Generation um die dreißig, dem bekennenden Pärchendasein entgegen.
Reinhold Popp, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Zukunftsstudien in Salzburg, beschäftigt sich auch mit Theorien rund um die Zukunft von Beziehungen. Er stellt fest: „Die Menschen haben eine immer größere Sehnsucht nach Freiheit. Also versuchen sie auch, so eine ‚offizielle‘ Entscheidung für eine Beziehung so lange wie möglich hinauszuschieben.“ Die bringe schließlich weitere Verpflichtungen mit sich, „da kommen dann Fragen nach einer gemeinsamen Wohnung oder Kindern auf“, sagt Popp.
So bleibe man lieber in einer „mittleren Unsicherheitsposition“. Denn auch wenn junge Menschen sich theoretisch eine Beziehung wünschen – eine Allensbach-Studie belegte unlängst, dass 56 Prozent der unter 24-Jährigen eine Partnerschaft für das „Wichtigste im Leben“ halten –, sieht die Realität anders aus.
„Es gibt ein Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, sagt Popp. „Die Sehnsucht nach einer Beziehung ist da, wenn sich aber Komplikationen auftun, lebt man lieber noch ein wenig länger sein buntes Leben.“

 

Kein Commitment, viel Stress

Kompromisse machen oder wegen Freund oder Freundin Nachteile in Kauf nehmen? Das erscheint vielen unattraktiv. „Bei unter 30-Jährigen liegt der Fokus noch sehr stark auf den eigenen Bedürfnissen. Und zu denen zählt in diesem Alter noch nicht das nach einem festen Commitment“, sagt Wiebke Neberich. Stattdessen wolle man sich unabhängig weiterentwickeln, herausfinden, was und wen man wirklich will.
Und macht es sich leicht, scheinbar. Führt halbe Beziehungen, bei denen man nicht Schluss machen muss, weniger Pflichten hat, datet parallel mehrere Menschen, alles ganz locker eben. Aber ist es das wirklich?
„Natürlich ist das Ganze unglaublich stressig, aber man nimmt den Stress in Kauf, solange man empfindet, dass die Vorteile einer solchen Lebensweise überwiegen“, sagt Neberich. Doch so locker manch einer diese Dating-Situation finden mag, für den anderen kann sie eine Qual bedeuten.
Wer sich nicht binden mag, dabei aber widersprüchliche Signale sendet, weil er eben doch ganz gerne mal ein Wochenende auf dem Sofa kuschelt und in Kauf nimmt, dass der andere sich Ernstes erhofft, wo nichts Ernstes sein soll, fügt dem Partner (der ja keiner sein soll) echten Schaden zu.
Es macht traurig, das Gefühl zu haben, nicht zu genügen, nur der Lückenbüßer zu sein, bis etwas Besseres kommt. Und es kann dauerhaft Probleme im Leben des anderen verursachen, wenn der unfreiwillige Mingle dann selbst in der darauffolgenden Paar-Situation zögert und zaudert, weil er Angst hat, wieder so verletzt zu werden.

 

Frauen hoffen – und wissen es einfach nicht

Klassischerweise sind es meist Frauen, die in solche Situationen geraten, die „hoffen“, in einer Beziehung zu sein. Es aber nicht wissen. Die Soziologin Eva Illouz, die in diesen Zusammenhängen so gerne zitiert wird, konstatiert, dass generell eher Männer sich lieber gar nicht fest binden, als dies mit dem Gefühl zu tun, nicht die Allerbeste an ihrer Seite zu haben.
Auch, weil sie ihr Selbstwertgefühl nicht aus Partnerschaft und Ehe gewinnen – im Gegensatz zu Frauen, die sich nach wie vor über Familie definieren.
So berichtet mehr als jede dritte Singlefrau zwischen 20 und 39, bei der Partnersuche „stets nur bindungsunwilligen Männern“ zu begegnen. Natürlich sorgt auch der Kinderwunsch der Frauen ab dreißig dafür, dass sie dann eher bereit sind, sich festzulegen als Männer.
Und doch müssen die Männer – und natürlich auch die Frauen, die sich beim Gedanken an eine feste Beziehung noch beklommen ans Herz fassen, Klartext reden, miteinander, übereinander. Und Mut zum Bekenntnis aufbringen. Füreinander, gegeneinander oder zumindest dazu, sich nicht bekennen zu wollen.
Aber auch das auszusprechen, kann die Lage entspannen, das Gedankenkarussell des anderen, der vorher jede kleine Geste überinterpretieren musste, jedes Wort im Kopf Hunderte Male hin und her dachte, stoppen. Und eine Entscheidung erlauben: Kann und möchte man so weitermachen – oder eben nicht.

Eine Entscheidung kann befreien
„Wo kaum mehr etwas durch Zwänge bestimmt oder gesellschaftlich angebahnt wird, wird es immer wichtiger, sich zu entscheiden – für einen Partner oder eine Beziehungsform“, sagt auch Psychologin Lisa Fischbach.
Man muss sich also selbst ein wenig der allzu großen Freiheit berauben, um wieder frei durchatmen zu können. Denn: So eine Entscheidung macht tatsächlich frei – und löst den ganzen Stress von hinten auf. „Studien zeigen“, so sagt Wiebke Neberich, „dass man Partneralternativen automatisch abwertet, wenn man sich einmal für jemanden entschieden hat.“
Dann muss man das nur noch mitteilen – und fragen, ob der andere das auch so sieht und auch so möchte. Und sich nicht scheuen und ewig über die richtigen Worte nachdenken. Manchmal ist einfach am besten. So wie Bauer Christian seine Elke in der im Dezember zu Ende gegangenen „Bauer sucht Frau“-Staffel fragte: „Ich find‘ dich so toll. Was hältst du denn davon, wenn wir zusammen eine Beziehung starten?“
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Ich will ja einfach gar nicht sterben Depressionen bei Kindern

DEPRESSIONEN BEI KINDERN Eine Depression lässt sich bei Kindern und Jugendlichen schwerer diagnostizieren als bei Erwachsenen, aber diese seelische Erkrankung ist auch im Kindes- und Jugendalter nicht selten. Sie kann schwere Folgen haben und im schlimmsten Fall sogar zur Selbsttötung führen. Zwei betroffene Kinder berichten.

Depression im Kindes- oder Jugendalter ist eine immer noch kaum erkannte und oft unterschätzte Form der seelischen Erkrankung, obwohl sie verheerende Folgen haben kann; im schlimmsten Fall führt sie zum Suizid. Und die Zahl der Erkrankten nimmt zu. Auch Ärzte tun sich nach wie vor schwer, diese Krankheit zu diagnostizieren: insbesondere bei sehr jungen Kindern. Bei ihnen zeigt sich die Depression in einer anderen Ausprägung als bei Jugendlichen und Erwachsenen.

Kinder und Jugendliche mit Depressionen leiden mehrfach: Die Erkrankung selbst führt dazu, dass ihnen das Leben an manchen Tagen unerträglich erscheint und der Gedanke, es zu beenden, oft übermächtig wird. Daneben fühlen sie Scham über ihre Krankheit und offenbaren sich nur selten, aus Angst, von anderen ausgegrenzt oder als „Psycho“ stigmatisiert zu werden.

Die 17-jährige Laura und der zehnjährige Luis haben sich bereit erklärt, einen Einblick in ihr Leben mit dieser Erkrankung zu gewähren. Über mehrere Monate durfte die Filmemacherin Andrea P. Dubois die beiden mit der Kamera begleiten und an ihrer Erlebniswelt teilhaben. So zeigt die Dokumentation die Realität von Laura und Luis aus deren Sicht und erlaubt dadurch einen tiefen Blick in deren jeweiliges Seelenleben. Sie macht nachvollziehbar, welchen Problemen und Belastungen die beiden jeweils ausgesetzt sind, wie sie selbst ihre seelische Störung erfahren, wie sie Situationen und andere Menschen empfinden, was und wie etwas auf sie einwirkt und wie die Umwelt auf sie reagiert.

Die Geschichten von Laura und Luis machen sensibel für das Thema Depression im Kindes- und Jugendalter, und sie ermöglichen ein besseres Verständnis für diese Krankheit und die davon betroffenen Kinder.

Origin: WDR
Land: Deutschland
Jahr: 2013
Als Live verfügbar: ja
Tonformat: Stereo
Bildformat: HD, 16/9
Arte+7: 19.11-26.11.2013
Besetzung
Wiederholung:
Mo, 02.12. um 9:50 Uhr

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Wenn Kinderseelen leiden

Etwa ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen ist heutzutage in einem Maße verhaltensauffällig, dass sie kinder- und jugendpsychiatrisch untersucht werden sollten. Dazu kommen noch etwa zwei bis fünf Prozent psychosomatische Auffälligkeiten. Die Hälfte dieser Kinder und Jugendlichen ist aufgrund des Schweregrads der Erkrankung behandlungsbedürftig. Dabei sind kranke Kinderseelen kein länderspezifisches Problem – nahezu jede westliche Industrienation ist gleichermaßen davon betroffen. Trotz dieser beunruhigenden Faktenlage sind psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter immer noch kein soziopolitisches Anliegen – sie werden im Gegenteil meist tabuisiert und sind dadurch häufig mit Scham besetzt.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die vor allem in den letzten 30 Jahren gewonnen wurden, haben nicht dazu geführt, die Anzahl der seelischen Erkrankungen bei Kindern zurückzudrängen. Dabei hätte es jede Erwachsenengesellschaft in der Hand, zumindest die äußeren Faktoren, die für psychische Erkrankungen bei Kindern verantwortlich sind, einzudämmen, wie etwa die kindliche Verwahrlosung. Es fehlt das Bewusstsein dafür, dass die seelische Erkrankung eines Kindes keine individuelle Angelegenheit ist – tatsächlich hat sie Auswirkungen auf das direkte soziale Umfeld des Kindes und die Gesellschaft.

Die Dokumentation zeigt neben einer umfassenden Darstellung der derzeit häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen auch die ihnen jeweils zugrundeliegenden Ursachen sowie mögliche Therapieformen auf. Und sie stellt fest: Nur wenn Kinder sich geliebt fühlen, wenn ihre Bedürfnisse gestillt werden und sie seelisch gesund heranwachsen, können siie sich zu stabilen Erwachsenen entwickeln, die dann eine gesunde Gesellschaft bilden.

Origin: WDR
Land: Deutschland
Jahr: 2013
Als Live verfügbar: ja
Tonformat: Stereo
Bildformat: HD, 16/9
Arte+7: 19.11-26.11.2013
Besetzung
Wiederholung:
Mo, 02.12. um 8:55 Uhr

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Alleinerziehend: ein fast unmöglicher Spagat

Das Modell „Alleinerziehend“ ist auf dem Vormarsch. Die Zahl derjenigen, die ihre Kinder ohne Hilfe eines Partners großziehen müssen, wächst seit Jahren. Viele von ihnen sind berufstätig, fast die Hälfte sogar in Vollzeit. Eine Situation, die nur schwer zu bewältigen ist.

Fast 100 Bewerbungen hat Monika geschrieben. Die 39-Jährige aus Marl bei Recklinghausen versuchte, nach zwei Jahren Pause wieder den Einstieg in den Job zu finden. „In den Vorstellungsgesprächen waren die Arbeitgeber jedes Mal geschockt, dass mein Kind doch noch so klein sei und ob ich überhaupt arbeiten wolle. Was heißt hier wollen: Ich muss!“ Denn Monika zieht ihre zweieinhalbjährige Tochter allein groß und zählt damit zu der wachsenden Anzahl von Alleinerziehenden in Deutschland. Von den 8,4 Millionen Familien mit Kindern sind inzwischen 1,6 Millionen alleinerziehend – und damit jede fünfte Familie. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil noch bei 14 Prozent.

Ökonomisches Risiko „alleinerziehend“

Die überwiegende Mehrheit der Alleinerziehenden sind Frauen, zwei Drittel von ihnen sind berufstätig wie Monika. „Eine Vollzeitstelle in näherer Umgebung habe ich nicht gefunden; bei einer Zusage musste ich ablehnen, weil ich jeden Tag zusätzlich zur Kita auf externe Hilfe angewiesen gewesen wäre.“ Nun arbeitet Monika 20 Stunden die Woche im Büro einer Mälzerei. Und auch hier jongliert sie mit der Hilfe von Freunden und Familien, damit es irgendwie geht.

In einer Gesellschaft, in der es üblich ist, dass der Haushalt über zwei Einkommen gesichert wird, ist es ein großes ökonomisches Risiko, alleinerziehend zu sein. Allerdings gehen die einzelnen europäischen Staaten unterschiedlich mit dieser Situation um. Hans Bertram, Professor für Mikrosoziologie an der Berliner Humboldt-Universität, schildert dies am Beispiel Schweden: „Hier wurden mehrere Instrumente geschaffen, etwa das einkommensabhängige Elterngeld oder bei einem Teilzeitjob die Möglichkeit, dass für Arbeitnehmer bis zum 8. Lebensjahr des Kindes die Sozialversicherungsbeiträge von den Sozialkassen bezahlt werden. Wir in Deutschland haben dagegen eine Mischung aus zielgerichteten Leistungen und Instrumenten, die an die Ehe gekoppelt sind.“

Carmen hat das am eigenen Leib erfahren müssen. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern arbeitet als freie Hörfunkjournalistin. „Ich habe schon während meiner Ehe darauf geachtet, nie von meinem Mann abhängig zu sein – jedenfalls nicht mehr als unbedingt notwendig. Das halte ich heute für die klügste Entscheidung überhaupt.“ Da der Vater der Kinder nicht zahlt, ist die 33-Jährige auf den Unterhaltsvorschuss des Jugendamts angewiesen – und der läuft bald aus. „Mir scheint, dass der andere, nicht erziehende Elternteil eine Menge Rechte hat, aber kaum Pflichten. Eine Pflicht ist in meinen Augen keine Pflicht, wenn es keine Sanktionen gibt, die einen ermuntern, diese Pflicht auch auszuüben.“ Bald wird Carmen darauf angewiesen sein, von ihrer Arbeit sich und drei Kinder ernähren zu müssen. Eine Vollzeitselbstständigkeit kann sie sich nur unter größter Kraftaufbietung und mit optimaler Kinderbetreuung vorstellen.

Bruch beim Schuleintritt

Genau das ist nach Ansicht des Soziologen Bertram Teil des Problems. „Alleinerziehende müssen nicht nur die ökonomische Situation einigermaßen vernünftig managen, sondern auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf individuell lösen. In vielen anderen Ländern stellen sich diese Probleme nicht mehr.“ Hierzulande nimmt die Betreuung früh zeitlich und qualitativ ab; spätestens beim Schuleintritt gibt es einen Bruch.

Es wundert daher nicht, dass der aktuelle Familienreport der Bundesregierung ausweist, dass Eltern und insbesondere Alleinerziehende sich „Maßnahmen der Zeitpolitik“ wünschen. Und Unternehmerinitiativen sprechen bereits davon, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist. Denn knapp 40 Prozent der Alleinerziehenden sind regulär beschäftigt und verfügen über hohe Bildungsabschlüsse. Die besonders jungen Alleinerziehenden jedoch haben nicht nur geringere schulische Kenntnisse, sondern oft noch nicht einmal einen Abschluss. Die Konsequenz: Sie sind langfristig auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Ohne Netzwerk geht es nicht

ie selbstständige Übersetzerin Andrea aus Düsseldorf teilt diese Einschätzung: „Ich denke, mit Studium und qualifizierter Ausbildung ist es trotz allem leichter, denn ich habe mehr Auswahlmöglichkeiten. Zur Not kann ich immer noch putzen gehen, aber es ist nicht das einzige, was mir bleibt.“ Andrea hat eine zehnjährige Tochter, als freiberufliche Übersetzerin hat sie schon vor ihrer Schwangerschaft gearbeitet. Als auf dem Land mangels Betreuungsmöglichkeiten die Kunden ausblieben, zog sie in die Stadt. Das half – ebenso ein funktionierendes privates Netzwerk. „Meine Familie und meine Freunde unterstützen mich und hier gibt es mehr Frauen in gleicher Situation, die gegenseitige Hilfe wird unkomplizierter gewährt.“

Solche Netzwerke müssen jedoch immer noch in Eigenregie organisiert werden. Mütterzentren, wo das sprichwörtliche Dorf entstehen kann, das es braucht, um Kinder groß zu ziehen, gibt es bislang nur in wenigen Pilotprojekten. Der Soziologe Bertram sieht dies besonders kritisch: „Die Vorstellung, dass man eine Familie in einen Kontext einbinden muss, der unterstützt, ist uns eher fremd. Solange wir davon ausgehen, dass Familien als Einzelkämpfer ihr Leben bewältigen können, hat das die logische Konsequenz, dass diejenigen, die nicht einmal einen Partner haben, besonders allein sind.“

Constanze Hacke
ist selbstständige Wirtschaftsjournalistin in Köln.

Copyright: Goethe-Institut e. V., Online-Redaktion
Dezember 2010

 

 

 

 

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Armut: Wird der soziale Abstieg zur Normalität in Deutschland?

Die Armut in Deutschland und Europa wächst. 100 Millionen Menschen der EU leben in Armut oder sind von Armut bedroht. 2010 war das Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung.

Die Zahlen sind erschreckend: Mehr als elf Millionen Deutsche leben unter der Armutsschwelle; das sind rund ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Diese Zahlen hat das Wirtschaftsinstitut DIW unlängst veröffentlicht. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands heißt dies, dass gut 14 Prozent der Bundesbürger arm sind. Von dieser Entwicklung sind laut DIW vor allem junge Leute und Familien betroffen. Als arm gilt nach einer Definition der Europäischen Kommission, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens seines Landes zur Verfügung hat.

Die Kluft wird größer

In Europa vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich immer. Auch in den europäischen Nachbarländern sieht es nicht besser aus. Bereits vor ein paar Jahren hat das „Bureau of European Policy Advisers“ (BEPA) im Auftrag der EU-Kommission einen Bericht über Europas soziale Wirklichkeit erstellt. Fazit: In Europa vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich immer mehr. Immer mehr Menschen haben immer weniger zum Leben. In Zahlen heißt das: Heute ist nahezu jeder fünfte EU-Bürger, das sind rund 100 Millionen Menschen, von Armut betroffen oder bedroht. Die Einkommen entwickelten sich mit zunehmender Dynamik immer stärker auseinander.

Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, hat die Europäische Kommission bereits im Dezember 2007 beschlossen, das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu machen. Dafür hat die Kommission rund 17 Millionen Euro bereitgestellt, um die Selbstverpflichtung der Europäischen Union zu unterstreichen, einen wesentlichen Beitrag zur Armutsbekämpfung bis 2010 zu leisten. Der EU-Kommissar für soziale Angelegenheiten, Vladimír Špidla, sagte dazu am 12. Dezember 2007 in Brüssel: „Das Europäische Jahr wird die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, wie stark Armut immer noch den Alltag vieler Europäer prägt.“

Gemischte Bilanz

Die schwarz-gelbe Bundesregierung musste bei den Hartz-IV-Regelsätzen nachbessern. Das Jahr 2010 neigt sich seinem Ende zu. Ob die teure EU-Kampagne eine Trendwende bewirken konnte? Für ein abschließendes Urteil ist es noch zu früh; Sozialverbände bilanzieren noch. Allerdings ist eine gewisse Skepsis zu spüren. Bei unserem Nachbarn Österreich hat man bereits eine gemischte Bilanz gezogen. Der österreichische Sozialminister Rudolf Hundstorfer verteidigte einerseits den Sozialstaat und warnte auch vor einer Vergrößerung der Einkommensunterschiede, andererseits verteidigte er auch die geplanten Einschnitte beim Pflegegeld (analog zur deutschen Sozialhilfe): Es werde nicht gekürzt, sondern nur der Zuwachs gebremst. „Es wird kein Euro weniger ausgegeben, es wird nur weniger mehr ausgegeben“, betonte der Minister.

Und in Deutschland? Am 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Hartz-IV-Regelsätze in ihrer bestehenden Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Wie das oberste deutsche Gericht festgestellt hat, werden die Bedürfnisse der Kinder durch die geltenden Hartz-IV-Gesetze nicht ausreichend berücksichtigt. Darum musste die schwarz-gelbe Bundesregierung hier nachbessern. Zu diesem Zeitpunkt belief sich der Hartz-IV-Regelsatz auf 359 Euro.

Dabei ist diese Forderung nicht neu. Sozialwissenschaftler wie der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge fordern seit Langem eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau im Mai vergangenen Jahres hat Butterwegge, der eine Professur an der Uni Köln hält, erklärt, dass „die Regelsätze bei Hartz IV auf mindestens 450 Euro hochgesetzt werden“ müssten. Eine Forderung, die der Wissenschaftler mit der ökonomischen Notwendigkeit, die Binnennachfrage anzukurbeln, verknüpft. Denn, weiß Butterwegge, „auch die Hartz-IV-Empfänger geben jeden Cent sofort aus, den sie bekommen“.

Mindestlohn als Armutsbremse

Eine Re-Strukturierung des Arbeitsmarktes ist notwendig. Am Ende hat sich Schwarz-Gelb auf eine Erhöhung geeinigt: fünf Euro. Das ist etwa der Wert einer Schachtel Zigaretten. Soviel erhalten Hartz-IV-Empfänger ab Januar 2011 mehr. Ob diese fünf Euro etwas daran ändern werden, dass immer mehr Menschen in Deutschland arm sind oder von Armut bedroht werden?

Um den Trend der wachsenden Armut in Deutschland zumindest zu verlangsamen, hält die Politikwissenschaftlerin Barbara Riedmüller die Re-Strukturierung des Arbeitsmarktes für unbedingt notwendig. In einem Interview mit dem Tagesspiegel forderte die Professorin für Politikwissenschaft, die am Berliner Otto-Suhr-Institut arbeitet, „die Einführung eines Mindestlohnes […]. Der würde wie eine Bremse funktionieren.“ Mit anderen Worten: den sozialen Abstieg von Arbeitnehmern in die bezahlte Armut verlangsamen. Allerdings, so Riedmüller weiter, sieht es derzeit nicht so aus, als würden Politik und Wirtschaft „etwas zugunsten des Arbeitsmarktes“ unternehmen.

Die Folgen hat Butterwegge bereits im vergangenen Jahr beschrieben: „Die Armut ist dabei, zur Normalität in Deutschland zu werden.“

Literatur:

Butterwegge, Christoph:
Armut in einem reichen Land. Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird (Campus Verlag 2009)

Christoph Butterwegge, Michael Klundt, Matthias Belke-Zeng:
Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland (VS-Verlag für Sozialwissenschaften 2008)

Thomas Schirrmacher:
Die neue Unterschicht: Armut in Deutschland? (Hänssler 2007)

Dr. Andreas M. Bock
ist Politikwissenschaftler und Journalist. Er unterrichtet an der Ludwig-Maximilans-Universität München, der Universität Augsburg und der Universität der Bundeswehr München.

 
online-redaktion@goethe.de

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BETREFF: URLAUBSANTRAG

Kommen Sie bloß nicht wegen Urlaub?

Haben Sie denn gar kein Gewissen?

Wissen Sie überhaupt, wie wenig Sie Arbeiten?

Ich will es Ihnen mal einmal vorrechnen:

Das Jahr hat bekanntlich 365 Tage, nicht wahr?

Davon Schlafen Sie täglich 8 Stunden,

das sind 122 Tage. Es bleiben noch 243 Tage.

Täglich haben Sie 8 Stunden frei, das sind ebenfalls 122 Tage,

also bleiben noch 121 Tage

52 Sonntage hat das Jahr an welchen Tagen

nicht gearbeitet wird. Was bleibt übrig?  69 Tage.

Sie rechnen doch mit???

Samstagnachmittag wird auch nicht gearbeitet,

das sind nochmals 52 halbe – oder 26 ganzen Tage.

Bleiben also noch 43 Tage.

Aber weiter:

Sie haben täglich 2 Stunden Pause,

also insgesamt 30 Tage. Was bleibt übrig?

Nur ein REST von 13 Tagen!

Das Jahr  hat 12 Feiertagen – was bleibt übrig?

Sage und schreibe 1 Tag!!!

Und das ist der 1. Mai – und an dem Tag wird

auch nicht gearbeitet!

Und da wollen Sie noch Urlaub???

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Gefährliche Profitgier!!

Der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer kündigt nach einem erneuten Skandal in einer zur Casa Reha Unternehmensgruppe gehörenden Pflegeeinrichtung eine Gesetzesänderung an. Er will Einblicke in die Bilanzen von Heimbetreibern.

Quelle: SWR

http://www.ardmediathek.de/das-erste/report-mainz/gefaehrliche-profitgier?documentId=16592254

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Autorengespräch Gefährliche Pflege

 

http://www.ardmediathek.de/das-erste/report-mainz/autorengespraech-gefaehrliche-profitgier?documentId=16592194

 

 

Nachdem Controlling durch die Öffentlichkeit …bleibt nichts verändet in der Altenpflege!!!

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Volksverarschung

Rückblick…

Die hohe Kunst der Voksverarschung

Auf den Punkt gebracht!

Irgendwas riecht faul im Lande. Nach offener Hose, alten Fisch,
ranzigen Schmiermitteln, moderigem Gemauschel und grinsender Verlogenheit.
Niemanden kann man mehr trauen. Jeden Tag wird der Nation die dunkel gefärbte
Ehren Unterhose eines weiteren vermeintlichen Saubermanns präsentiert.

Ulrich H., einer unserer beliebtesten Fußballclub-Präsidenten und
Wurstfabrickbesitzer – für die Deutschen schon allein durch diese Kombination
eine Lichtgestalt der Ehrlichkeit – entpuppt sich als Steuerbescheißer im
Gutherren Still. Bushi D., intellektueller Romatik Rapper und stolzer
Besitzer einer vergoldeten Schalenwild-Statue für Integration,
verblüfft durch vertraglich dokumentierte Kontakte in die Unterwelt.

Georg S., CSU-Fraktionschef im bayrischen Landtag, tritt freiwillig zurück,
weil er versehentlich seine Frau für ein vielfaches Regelgehalt als
Sekretärin bei sich selbst angestellt hatte – so wie zahlreiche seiner
christlich-a..zialen Kollegen mit ihrer arbeitslosen Sippschaft ebenfalls
auf unsere Kosten taten.

In der Katholischen Kirche wurden/werden seit Jahrzehten ihr
anvertraute unschuldige Kinder missbraucht, finanziert von unserer
Kirchensteuer, während die Verantwortlichen im Pristergewand mit
juckendem Lümmel die Frömmigkeit predigen.
Und im Fehrnsehen bekommen wir von den verantwortlichen
Programmbastlern täglich den nackten Arsch der Dummheit ins
Gesicht gehalten, mit der Behauptung es sei die aufgehende
Morgensonne.

Wärend die Öffis ihre Zwangsgebühr mit dreister Arroganz in
Beitragsservice umbennen und auf Applaus für ihre begrifflich
gelungene Volksverarschung warten.

Im Grunde meines Herzens bin ich ein friedliebender Mensch,
doch so langsam frage ich mich:
Wo ist das A-Team, wenn man es mal braucht? in wessen Tasche
befindet sich gerade die faust Gottes?

Wäre eine knackige Sintflut nicht die sinnvolle Alternative
zu einem weiteren verregneten Sommer? Und wie lange noch wollen
wir alle es widerspruchslos hinnehmen, dass man uns lächelnd
jeden feuchten Furz als Eau de Parfum verkauft?
Werden wir immer wieder derart betrogen, weil die anderen so
besonderes clever sind – oder einfach nur weil wir uns alles
brav blind gefallen lassen? Ist dieses unverschämte
ignorieren, Bescheißen und Verhöhnen der Masse vielleicht
nur ein verzweifelter schrei nach Liebe?
Oder nach einem verdienten Schlag in die Fre…?
Man kann ja über alles reden…

Quelle – Kalkofes letzte Worte…

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